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Definitionen
Nachhaltigkeit
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‹Nachhaltige Entwicklung›: Ein
Begriff macht Karriere

Kaum je haben Schlagworte eine so grosse
Bedeutung in Medien, Politik und Wirtschaft erlangt, wie in diesem
ausgehenden Jahrzehnt. Begriffe wie ‹shareholder value›,
‹downsizing› und ‹Aufschwung› zieren die Titelseiten von
Zeitungen, verleihen Referaten Gewicht und werden in Gespräche
eingestreut. Meist sind solche Modeworte eher kurzlebig: nach
einem rasanten Aufstieg in den Popularitätshimmel geraten sie
nach und nach in Vergessenheit. In jüngster Zeit läuft der
englischen Begriff ‹sustainability (Nachhaltigkeit)› oder
‹sustainable development (nachhaltige Entwicklung)› Gefahr,
eben diese Laufbahn einzuschlagen. Der Ausdruck, der für das
Leitbild einer ‹zukunftsfähigen› Entwicklung steht, droht zum
Schlagwort, zur Leerformel zu werden [7].
Ursprünglich aus der Forstwirtschaft des
ausgehenden 18. Jahrhunderts stammend wurde der Begriff
‹Nachhaltigkeit› im frühen 20. Jahrhundert in der
Fischereiwirtschaft eingeführt und hielt schliesslich 1987
aufgrund des Berichts der Weltkommission für Umwelt und
Entwicklung ‹Our Common Future› (Brundtland-Report [8]) als
‹sustainable development› Einzug in die Weltöffentlichkeit
[9]. Hatte Nachhaltigkeit in der Forst- und Fischereiwirtschaft
noch eine klar umrissene Zielsetzung – nur soviel Holz zu
schlagen, wie wieder nachwachsen kann, beziehungsweise die
Fischpopulation nicht durch Überfischen zu gefährden – nimmt
die Verwendung des Begriffes spätestens seit der Rio-Konferenz
inflationäre Züge an [10]. An der Konferenz der UNCED in Rio
1992 erarbeiteten rund 180 Staaten, darunter auch die Schweiz,
gemeinsam die Agenda 21, ein Programm für eine sozial,
wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung.
‹Sustainable development› wurde somit zum globalen Leitbild
zukünftiger Entwicklung. Seitdem wurde der Begriff nicht nur in
Regierungs- und Entwicklungskonzepten verwendet, sondern fand
vielmehr auch Eingang in die Leitbilder der unterschiedlichsten
Organisationen, Parteien und Konzerne.
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Entwicklung des
Begriffs
Nachhaltigkeit
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Nachhaltigkeit kurz definiert
Eine
Ursache für die beliebig interpretierbare Verwendbarkeit des
Leitbildes liegt in der Ungenauigkeit des Begriffes. Schon die
deutsche Übersetzung von ‹sustainable development› bereitet
beträchtliche Schwierigkeit. Bisher vorgeschlagen wurde unter
anderem: dauerhafte und nachhaltige Entwicklung, nachhaltige
Entwicklung, dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, nachhaltig
zukunftsverträgliche Entwicklung, (global) zukunftsfähige
Entwicklung, umweltbewusstes Wirtschaften, nachhaltiges
Wirtschaften, zukunftsfähiges Wirtschaften, Zukunftsfähigkeit
[9]. Die Vielzahl der Übersetzungen von ‹sustainable
development› ergibt sich aus den zahlreichen Definitionen,
Interpretationen und Vorstellungen, die mit dem Begriff verbunden
werden (siehe auch Tabelle 1). Momentan finden sich in der
Literatur mehr als 60 unterschiedliche Definitionen von
‹sustainable development› [7]. Die
Nachhaltigkeits-Definitionen sind geprägt durch die persönliche
Werthaltung, das Naturverständnis und die persönlichen
Interessen der jeweiligen Autorinnen und Autoren. Die Bedeutung
des Begriffes ist so dehnbar, dass er sowohl von der deutschen
chemischen Industrie im Leitbild verwendet wird, als auch dem WWF
als Konzept für seine Aktionen dient [11, 12].
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Nachhaltige Entwicklung acht Mal
definiert.
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Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung,
die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu
riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse
nicht befriedigen können [8].
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Im Wesentlichen ist dauerhafte
Entwicklung ein Wandlungsprozess, in dem die Nutzung der
Ressourcen, das Ziel von Institutionen, die Richtung
technologischer Entwicklung und institutioneller Wandel
miteinander harmonisieren und das derzeitige und künftige
Potential vergrössern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche
zu erfüllen [8].
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Nachhaltig ist eine Entwicklung, wenn
sie die Bedürfnisse aller Länder und Bevölkerungsgruppen
der heutigen Generation erfüllt, ohne dass dadurch die Fähigkeit
künftiger Generationen beeinträchtigt wird, ihre Bedürfnisse
zu befriedigen, und wenn sie die Vielfalt der Natur (Tiere und
Pflanzen) gewährleistet [13].
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Eine Gesellschaft ist dann nachhaltig,
wenn sie so strukturiert ist und sich so verhält, dass sie über
alle Generationen existenzfähig bleibt…, dass sie ihre
eigenen materiellen und sozialen Existenzgrundlagen nicht
unterminiert. … Im Sinne der Systemforschung ist eine
Gesellschaft nachhaltig, wenn sie ausreichend Informations-,
Sozial- und Verwaltungsstrukturen besitzt, die in der Lage
sind, die positiven Rückkopplungen für exponentielles Bevölkerungs-
und Wirtschaftswachstum so zu kontrollieren, dass die Fertilität
etwa gleich der Mortalität ist und die Investitionsraten etwa
den Raten der Kapitalabnutzung entsprechen [14].
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Als ‹nachhaltig› gilt eine
Entwicklung dann, wenn sie (mittelfristig, langfristig) mit
den ökologischen, sozialen und ökonomischen
Rahmenbedingungen verträglich, also auf Dauer angelegt ist
[15].
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Eine nachhaltige, auf Dauer angelegte
Entwicklung muss den Kapitalstock an natürlichen Ressourcen
so weit erhalten, dass die Lebensqualität zukünftiger
Generationen gewährleistet bleibt [16].
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Nachhaltige Entwicklung bedeutet, die
Qualität des menschlichen Lebens innerhalb der ‹carrying
capacity› der endlichen Ressourcen der Erde zu verbessern
[11].
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Falls ‹Nachhaltigkeit› mehr als nur
ein Slogan oder Ausdruck von Emotionen sein soll, muss sie auf
die Anordnung hinauslaufen, die Produktionskapazität für
eine unbestimmte Zukunft zu schützen [17].
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